Boot gesunken und dann?

gesunken

Radolfzell, 26.12.2011 von Edwin Allgaier

Jede Saison ereignen sich auf dem Bodensee eine ganze Reihe von?Unfällen mit Booten und Schiffen. Und manchmal geht dabei auch eines unter. Diese Havarien sind nicht alle gut dokumentiert. Ein Verlust­register, so es bestünde, wäre lückenhaft.

In der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung fehlt eine Vorschrift über die Dokumentation von Schiffsuntergängen. WaPo-Einsatzberichte, Unfallmeldungen der Bootseigner an die Versicherung und Bergungsprotokolle wären Grundlagen für eine zentrale Verlustliste.

Der eindrucksvollste Vorfall ereignete sich am 18. Juli 1841, also vor mehr als 170 Jahren. Auf der Fahrt von Lindau nach Konstanz machte sich der an den Dampfer „Ludwig“ angehängte Schleppkahn „Mercur“ bei tosendem Sturm selbständig. Aus Dankbarkeit für die Rettung aus höchster Not wurde von den Passagieren, die um ihr Leben gebangt hatten, die sogenannte „18. Juli Stiftung“ zugunsten bedürftiger Lindauer Bürger gegründet.

Am 11. März 1861 ist der „Ludwig“ nach einem Zusammenstoß mit der „Stadt Zürich“ gesunken. Der Dampfer wurde von dem U-Boot-Ingenieur Bauer geborgen, in die Schweiz verkauft und 1863 auf den neuen Namen „Rorschach“ getauft.
Am 12. Februar1864 stie­-ß­en die „Zürich“ und der „Jura“ vor Bottighofen zusammen, die „Jura“ sank und ist inzwischen das berühmteste Wrack im See.

Es wurde von Hobby-Tauchern ausgeschlachtet, und seit Jahren laufen Bestrebungen zur Hebung der verbliebenen Teile. Die Pläne scheiterten bisher an den Kosten. Am 20. Dezember 1869 sank der „Rheinfall“ nach einer Kesselexplosion bei Berlingen, er erhielt nach der Hebung den Namen „Neptun“.

Am 28. April 1944 wurde der Dampfer „Königin Charlotte“ von Bomben getroffen, brannte aus und sank im Hafenbecken auf den Grund. Wegen der geringen  Tiefe ragten die Aufbauten aus dem Wasser.

Im November 2009 wurde ein Schiffswrack aus dem Mittelalter vor der Insel Reichenau entdeckt, untersucht, dokumentiert und zur weiteren Konservierung wieder im See eingegraben. Dort soll der Fund für spätere Zeiten vor Verfall gesichert aufbewahrt werden.

Auch Segel- und Motorboote gingen in der jüngeren Zeit unter. Der aktuellste Fall betrifft die 12-Meter-Stahl­yacht „Lady Jay“, die am 19. Juni diesen Jahres zwischen Langenargen und Rorschach im Sturm kenterte und sank. Die zwölf Passagiere wurden gerettet. Zunächst haben die Eigner ein besonderes eigenständiges Interesse an der Hebung, sofern wegen der Tiefe des Gewässers eine Bergung technisch möglich ist und die Bergungskosten überschaubar sind und von der Kasko-Versicherung (die man dringend haben sollte) übernommen werden. Es widerspricht seemännischen Gepflogenheiten, bergungsfähige Boote und Schiffe auf dem Seegrund zu belassen, auch wenn es nicht mehr völlig restauriert werden kann. Ohnehin stellt sich das immer erst im Nachhinein heraus. Wenn Tote im Wrack eingeschlossen wären, lässt man Schiffe mitunter auf dem Grund ruhen, was einem Seebegräbnis gleichkommt.

Gehobenen Booten und Schiffen werden oft neue Namen gegeben, um das Malheur äußerlich sichtbar nicht mehr in Erscheinung treten zu lassen. So war es auch bei den beiden genannten Beispielen. Bergung und  Bergelohn bestimmen sich nach dem Binnen-Schifffahrtsrecht, das für die drei Bodensee-Anrainerstaaten gilt, auf Grund Übernahme in Österreich und der Schweiz.

Aber auch die Schifffahrtsämter (als Polizeibehörden) können ein gesteigertes Interesse an der Hebung haben, wenn eine Gefahr für die Schifffahrt oder den See zu befürchten ist. Das gilt besonders für Verunreinigungen des Gewässers durch auslaufendes Öl oder Kraftstoff. Das Schifffahrtsamt fordert dann den Eigner durch Verfügung auf, das Boot heben zu lassen, soweit dies überhaupt bergungstechnisch möglich ist. Wenn dieser Aufforderung nicht gefolgt wird, lässt das Schifffahrtsamt auf Kosten des Eigners die Hebung ausführen im Wege der Ersatzvornahme. Unvermögen bzw. fehlende Geldmittel des Eigners lassen seine Polizeipflichtigkeit als Handlungs- oder Zustandstörenden nicht entfallen.

Die Notwendigkeit einer Hebung zur Vermeidung ökologischer Schäden des Gewässers ist natürlich durch Sachverständigengutachten zu begründen. Die Heranziehung des polizeipflichtigen Eigners ist gerichtsfest zu gestalten, damit sie einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

Im Fall der „Lady Jay“ ergibt sich die Besonderheit, dass es dem LRA Bodenseekreis an einer spezifischen bodenseerechtlichen Rechtsgrundlage fehlt, weil davon auszugehen ist, dass die BSO von Baden-Württemberg fehlerhaft eingeführt wurde und eine Bergung auch nicht im Übereinkommen über die Schifffahrt auf dem Bodensee geregelt ist. Statt der Bodensee-Generalklausel Art. 1.14. BSO auf die allgemeine polizeirechtliche General­klausel (§ 3 PolG?Ba-Wü) auszuweichen, ist nicht möglich. Letzere gilt nur für den Bereich der deutschen Ausschließlichkeitszone, nicht aber für den offenen See.
Die polizeiliche Ermächtigungsgrundlage im Wasser-Straßengesetz des Bundes gilt nicht für den Bodensee, er ist keine Wasserstraße im Sinne des Gesetzes.

Das Schifffahrtsamt des?LRA Lindau hätte die Hebungsverfügung zu erlassen, weil Bayern die BSO?rechtswirksam eingeführt hat. Während Behörden nur im eigenen Kompetenzbereich des Inlands auf der Grundlage gültiger Rechtsnormen tätig werden können, kann der Privatmann als Eigner sein gesunkenes Boot heben lassen, ohne dass es darauf ankommt, in welchem Seeteil es unterging, so wie er auch ein in der Schweiz liegen gebliebenes Fahrzeug nach Deutschland abschleppen (lassen) kann.

Die erwähnten polizeilichen Generalklauseln dienen nur der künftigen Gefahrenabwehr, wirken also präventiv. Wenn ein Staatsanwalt wegen eines an Bord begangenen Verbrechens ermittelt, aber Spuren und andere?Beweismittel sich nur durch die Hebung des Bootes  sichern lassen können, stellt sich eindringlich die Frage nach der Untergangsstelle des?Bootes. Liegt sie im Obersee, fehlt es an der Zuständigkeit deutscher Ermittlungsbehörden. Das Übereinkommen zur Schifffahrt auf dem Bodensee bezieht sich mit seinen Zuständigkeiten nur auf Ordnungswidrigkeiten. Eine Absprache und Zustimmung der Schweizer Seite ist einzuholen.So war es vor vielen Jahren, als ein Mord mit Versicherungsbetrug auf einem deutschen Segelboot aufzuklären war, das vom Eigner in Brand gesetzt und auf der Schweizer Seeseite versenkt worden war, um Spuren zu verwischen.
Wenn ein Boot gesunken ist, aber im seichten Wasser liegt, sind nach Art. 1.12 BSO Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Verstöße dagegen können nach den vorstehenden Ausführungen von Bayern sanktioniert werden, nicht von Baden-Württemberg.Wie man sieht, gibt es bei Schiffsuntergängen im Bodensee nicht immer einfache Konstellationen und Lösungen. Das Besondere am Untergang der „Lady Jay“ ist auch, dass das Schiff in einer Tiefe von 200 Metern liegt, also fast an der tiefsten Stelle des Sees und eine Bergung mit herkömmlichen Mitteln vorerst nicht zu bewerkstelligen ist, ohne den Einsatz eines U-Bootes. Die anderen gehobenen Schiffe lagen bei weitem nicht so tief. Neben den geschilderten unfreiwilligen Schiffsuntergängen ist auch eine beabsichtigte Versenkung zu nennen: Im 19. Jahrhundert hatte die Schweiz einen ausgemusterten Dampfer im See entsorgt, eine Umweltsünde, die heute unvorstellbar wäre.

Eventuell im Schiff befindliche Reste der Kohlevorräte sind zwar natürliche Erd-ressourcen, aber das Maschinenschmieröl ist auchin kleinen Mengen für den See eine Belastung, vor allem für den Seegrund. Allerdings war der See damals durch den geringen Umfang der Schifffahrt weniger be­lastet als heute. Eine
strafrechtliche Verurteilung wegen Gewässerverunreinigung durch Schiffsunfälle und -untergänge hat es, soweit bekannt, bisher nicht gegeben.

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