Bürokratisches Monster
19.11.2010 von IBN
Seit 17.6.1998 müssen Sportboote der Sportboot-Richtlinie 94/25/EG entsprechen. Ein Blatt Papier, die sogenannte Konformitätserklärung des Herstellers, ein Handbuch und ein entsprechendes Schildchen am Boot bestätigt dem Käufer, dass das für seine Neuanschaffung gilt. Ansonsten waren die Auswirkungen für Otto-Normalwassersportler bisher eher gering.
Das war auch gar nicht anders zu erwarten, ging es der EU doch in erster Linie darum, den freien Im- und Export innerhalb der EU-Länder zu garantieren, indem eine einheitliche europaweite Regelung einzelstaatliche Normen und Richtlinien ablösten wie sie vor allem in Frankreich und Italien galten. Denn würde jeder Staat in Europa für technischen Produkte einzelstaatliche Bestimmungen erlassen, müssten die Hersteller eine Vielzahl von Ländervarianten produzieren. Die EU-Kommission hat allerdings nur bestimmte Produkte auf die Liste zur CE-Kennzeichnung gesetzt. Deshalb befindet sich auch auf der Wurstpackung kein CE-Kennzeichen, jedoch auf der Bohrmaschine, der Sonnenbrille, dem Kinderspielzeug oder dem Boot.
Letztlich spielt das in den meisten Fällen für den Verbraucher auch gar keine Rolle, meistens, wie z. B. beim Telefon, hat er wahrscheinlich noch nicht einmal bemerkt, dass das Gerät ein CE-Zeichen trägt, geschweige denn, dass er eine Ahnung hat, was es im Einzelfall bedeutet. Das braucht er auch nicht. Denn wie die Sportbootrichtinie auch richten sie sich zunächst an den Hersteller.
Mit dem CE-Kennzeichen und der Konformitätserklärung bestätigen die Werften heute, dass ein Boot den Anforderungen der Sportbootrichtlinie entspricht und somit in der EU frei gehandelt werden kann.Alle EU-Richtlinien, die als Gesetzestexte angesehen werden müssen und die auch die gleiche Bedeutung haben, bedienen sich zu ihrer Durchführung der verschiedenen internationalen Normen, die von der europäischen Normenstelle CEN anerkannt oder, so notwendig erachtet, ergänzt werden (ISO/EN-Standard) Deutschland hat die EU Sportbootrichtlinie mit einer Verordnung zum 10.
Gerätesicherheitsgesetz in nationale Recht umgesetzt. Folglich ist ein Hersteller durch seine nationalen Gesetze dazu verpflichtet richtlinienkonform zu arbeiten soweit sein Produkt durch eine Richtlinie abgedeckt ist. Äusseres Kennzeichen einer richtlinienkonformen Produktion ist die Kennzeichnung "CE". Sportboote im Sinne der Sportbootrichtlinie sind Boote zwischen 2,50 m und 24 Meter Länge, die für Sport- und Freizeitzwecke bestimmt sind. Ausgenommen sind z. B. ausschließlich für Regatten bestimmte Boote, Oldtimernachbauten von vor 1950 entworfenen Booten oder Eigenbauten.
Ein Sportboot gemäß dieser Verordnung darf seit 17.6. 1998 in Ländern der EU nur mit CE Kennzeichnung verkauft bzw. in den Verkehr gebracht werden. Dies gilt auch am Bodensee und zwar für alle drei Anrainerstaaten, da die Schweiz die Norm inzwischen weitgehend harmonisiert hat. Allerdings sieht die geplante Novellierung der Bodensee-Schifffahrts-Ordnung BSO zumindest Erleichterungen bei der Vorlage der Konformitätserklärung vor. Soweit so gut, denn wenn sie ihr Boot irgendwo an der Ost- oder Nordsee, oder in weiten Teilen des Mittelmeers oder Atlantiks Einwassern und in Betrieb nehmen, wird sich kaum je irgendeine Behörde nach ihrem CE-Zeichen krähen. Ganz anders sieht es seit einiger Zeit an französischen oder spanischen Küsten aus. Hier wird ein CE-Zeichen am Boot zur Grundlage der behördlichen Schiffsregistrierung gemacht. Unabhängig davon sind Motorbootfahrer und Segler auch ohne CE-Zeichen bisher ganz gut über alle Weltmeere geschippert.
In Deutschland bzw. in Baden-Württemberg ist das Gewerbeaufsichtsamt als zuständige Behörde für die Überwachung der Einhaltung der Richtlinie zuständig, eben weil die Sportbootrichtlinie eine Verordnung des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes ist. Die zuständigen Beamten für den baden-württembergischen Teil des Bodensee sitzen in Sigmaringen und Villingen-Schwenningen und beschränkten sich im wesentlichen darauf, auf der Interboot stichprobenhaft nach schwarzen Schafen in der Bootsbranche zu suchen. Wer auffällt, dessen Produkte können im Extremfall aus dem Verkehr gezogen oder ihre Inbetriebname Verboten werden. Voraussetzung ist eine Meldung mit Begründung an die zuständige Kommission der EU, die sich dann unmittelbar mit der betroffen Werft in Verbindung setzt.
Nun sind sie Besitzer eines neuen Bootes und wollen es auf dem Bodensee fahren, wo das Boot, anders als an der Ostsee, wie ihr Auto eine Zulassung und ein Kennzeichen braucht. Jetzt kommen zur Sportbootrichtlinie die Schifffahrsämter am Bodensee ins Spiel und zudem die Bodensee-Schifffahrts-Ordnung, denn die gilt für Boote, die auf dem Bodensee fahren sollen. Sportbootrichtlinie und BSO müssen in Einklang gebracht werden und da knirscht es ganz gewaltig, nicht zuletzt durch die Bodenseeabgasvorschriften. Denn die Sportbootrichtlinie beinhaltet viele eigene Vorschriften, darunter auch eigene Abgasvorschriften, die nicht mit denen der BSO Stufe I und II korrelieren. Der Streit darüber ob die BSO die EU-Abgasvorschriften anerkennen oder ob die EU die Bodensee-Abgasvorschriften akzeptieren muss, ist daher auch noch nicht ausgestanden.
Während das also bei ihrem Auto ganz einfach geht, wenn sie es zulassen, scheint sich für Bootswerften, Bootskäufer und Wassersportler am Bodensee ein weites Feld bürokratischer Hindernisse auszubreiten, das er in Zukunft erst durchqueren muss, bevor er Segel setzen oder den Zündschlüssel umdrehen kann. Bevor sie sich auf den Weg zum Schifffahrtamt für die Neuzulassung ihres neuen Bootes machen, müssen sie also eine Konformitätserklärung des Herstellers in der Tasche haben, also nachweisen können, dass das Boot das CE-Zeichen hat und der Sportbootrichtlinie entspricht.
Der Sportbootrichtlinie trägt die BSO in Artikel 14.03 (3) seit der letzten Novellierung Rechnung. Dort steht, dass "bei Vergnügungsfahrzeugen, für welche die Konformität mit den grundlegenden Sicherheitsanforderungen der Sportboot-Richtlinie festgestellt worden ist und die mit einem CE-Kennzeichen versehen sind", sich die erstmalige Untersuchung auf die Einhaltung der Vorschriften der Artikel 13.05 (Höchstzulässiges Betriebsgeräusch), 13.10 (Einrichtungen für den Gewässerschutz wie Fäkalientanks, Auffangwanne oder Abfallbehälter) und 13.11a (BSO-Abgasvorschriften) beschränkt. Gleichwertige Anforderungen der Sportboorichtlinie werden von der BSO anerkannt.
Vereinzelt, insbesondere in der Schweiz, sind die Schifffahrtsämter jetzt aber dazu übergegangen, die Einhaltung der Normen der Sportbootrichtlinie detaillierter zu prüfen. Begründet werden diese Überprüfungen bei der Erstzulassung zum einen mit einer Prüfung im Rahmen der BSO. Zum anderen damit, dass man dem Schiffseigner ja gutes tue, wenn die Schifffahrtsämter prüfen, ob das Boot auch wirklich die Sportbootrichtlinie erfüllt. Letzteres zwar nicht zu unrecht, denn wer ein Boot ohne CE-Zeichen und Konformitätserklärung in Verkehr bringt, begeht zumindest eine Ordnungswidrigkeit. Allerdings wird dabei aus einer Herstellernorm kurioserweise eine "Verbrauchernorm" gemacht.
Was bei der Erstabnahme neben bodenseespezifischen Anforderungen wie z. B. der Lichterführung überprüft werden könnte, wenn die Schifffahrtsämter die Einhaltung der Sportbootrichtlinie prüfen wollen, dafür hält die Sportbootrichtlinie einen ganzen Katalog von Anforderungen und Normen bereit. Die Sportbootrichtlinie enthält nämlich einen Anhang mit grundlegenden Sicherheitsanforderungen, die zudem im Gerätesicherheitsgesetz noch um ein Verzeichnis harmonisierter Normen ergänzt werden, die ein Sportboot und seine Ausrüstung erfüllen muss. Die im Anhang I der Richtlinie 94/25/EG vorgeschriebenen Sicherheitsanforderungen sind verbindlich, ebenso eine ganze Reihe harmonisierter und veröffentlichter Normen. Das alles am Dreiländereck Deutschland, Schweiz und Österreich und dann noch mit der BSO unter einen Hut zu bekommen hat natürlich seine Tücken.
Grundsätzlich werden Sportboote nach der Sportbootrichtlinie in Auslegungskategorien eingeteilt: A Hochsee, B Ausserhalb Küstengewässer, C Küstennahe Gewässer (worunter auch der Bodensee fällt) und D geschützte Gewässer. Damit werden Kriterien festgelegt, die die Boot erfüllen müssen. Diese Kategorien sind aber keine Festlegung, wo Boote benutzt werden dürfen, sie betreffen jedoch die Bauweise, Stabilität oder Auftrieb und Schwimmfähigkeit. Daneben gibt es allgemeine Anforderungen, die ein Boot und seine Ausrüstung erfüllen muss. Zum Beispiel ist bei Motorbooten eine gute Rundumsicht gefordert, Luken müssen stabil sein und dicht, Aussenborddurchlässe unterhalb der Wasserlinie müssen zusätzliche, leicht zugängliche Verschlüsse haben.
Vieles was die Richtlinie fordert ist eigentlich selbstverständlich oder sollte es bei einem soliden Bootsbauer sein wie z.B. die nach stabilen Klampen in ausreichender Zahl, der Belüftung des Motorraums, der leichten Zugänglichkeit von Ölstab und anderen Wartungs- und Kontrollpunkten, der nach Unbrennbarkeit von Isoliermaterial im Motorraum usw. Weitere Anforderungen betreffen das Kraftstoff-, das elektrische, das Steuerungs- oder Gassystem. Dazu gibt es dann zum Teil bereits harmonisierte und veröffentlichte Normen wie die DIN EN ISO 9093-1 für Seeventile oder DIN EN ISO 10088 für fest eingebaute Kraftstoffsysteme und -tanks.
Für Bereiche, die nicht durch EN-Normen abgedeckt sind, sollten entsprechende ISO-Normen verwendet werden, sofern es sie gibt oder nationale Normen. Erklärt ein Hersteller, dass sein Boot die Sportboot-Richtlinie erfüllt, muss es zugelassen werden. Die Schifffahrtsämter können demnach eine Zulassung nur verweigern, wenn es in der BSO aufgeführte Vorschriften hinsichtlich Umweltschutz und Sicherheit des Gewässers nicht erfüllt. Knackpunkt dabei sind wieder einmal die Bodensee-Abgasvorschriften.
Spannend wird's, wenn es dann um die Nachuntersuchung durch die Schifffahrtsämter geht. Was passiert zum Beispiel, wenn sie auf ihr Motorboot mit CE-Zeichen ein Radargerät bauen, es mit einem Bugstrahlruder ausrüsten oder ihrem Segelboot ein höheres Rigg verpassen? Wahrscheinlich wird man den Einbau einer Radaranlage im Normalfall als unwesentliche Änderung betrachten, ein Bugstrahlruder kann ein Grenzfall sein, ganz sicher ist ein neues Rigg eine wesentliche Änderung. Vom Gesetz ist dazu eigentlich grundsätzlich nichts vorgesehen. Ist das Boot erst einmal in Betrieb sollte so etwas eigentlich keine Rolle spielen. Die Schweiz ist mit der Harmonisierung der Sportboot-Richtlinie in der Umsetzung aber über die EU hinausgegangen. Hintergrund ist, dass die Schweiz weiterhin einen Einfluss auf die auch bisher kontrollierten Sicherheitsanforderungen der Boote haben will und das vor dem Hintergrund der harmonisierten Normen. Oder einfacher formuliert: die Herstellernormen werden in Zulassungsvorschriften überführt.
Das kommt jetzt vor allem bei der Nachuntersuchung, zum Tragen, wenn der Bootseigner am Boot etwas ändern will. Kleine Umbauten gehen ohne Probleme, für grössere braucht es in Zukunft eine Nachzertifizierung. Das kann beispielsweise der Einbau eines Bugstrahlruders oder der Austausch eines konventionellen Riggs gegen ein Binnenrigg sein. In solchen Fällen, die die Sicherheit und Stabilität beeinflussen, muss der Bootseigner sich mit Hilfe des Importeurs oder direkt bei der Werft eine entsprechende Zertifizierung besorgen, die dann, mit seiner Unterschrift Bestandteil des Handbuches wird.
Schwieriger wird es in Fällen, in denen die Werft nicht mehr existiert. Dann ist eine Nachzertifizierung durch eine Klassifizierungsgesellschaft notwendig. Beim Beispiel Rigg kommen dadurch zusätzliche Kosten von rund 800 Franken auf den Bootseigner zu. Grössere Umbauten werden entsprechend teurer. Auch grössere Reparaturen müssen eventuell nachzertifiziert werden. Im Notfall helfen auch die zuständigen Schifffahrtsämter in der Schweiz weiter, die für die Umsetzung der Sportbootrichtlinie in der Schweiz zuständig sind. Woher die Schweizer Schifffahrtsämter allerdings den Mut nehmen, das alles vor dem Hintergrund einer fast unendlich komplexen Materie beurteilen zu wollen, steht auf einem anderen Blatt. Zumal das ja auch rechtliche Konsequenzen haben kann.
Bis 12 Meter Länge kann die Werft in Eigenverantwortung eine Konformitätserklärung ausstellen, ebenso wie eine Nachzertifizierung. Für alle diese Boote gilt, dass der Hersteller eine Dokumentation über den Bau des Bootes anfertigen muss, die er zehn Jahre nach Auslieferung des Bootes aufbewahren muss. Ist das Boot über 12 Meter lang (die Länge wird dabei gemäss ISO 8666 gemessen), dann ist eine Überprüfung durch eine sogenannte "Benannte Stelle" notwendig. Benannte Stellen sind neutrale, von der EU anerkannte Prüfgesellschaften die bestimmte Anforderungsmodule der Richtlinie (z. B. Modul G = Einzelabnahme oder Modul B = Baumusterprüfung) bescheinigen.
Fälschlicherweise wird immer wieder angenommen, die Sportbootrichtlinie und ihre angehängten Normen machen ein Boot sicherer. Dazu muss man wissen, dass Normen immer auch einen Kompromiss darstellen. Sie schaffen aber eine Mindestanforderung, die eine Werft erfüllen muss. Und wie bereits gesagt, wurde auch vor der Sportbootrichtlinie auf allen Gewässern der Welt sicher gesegelt und Motorboot gefahren, weil die Bootsbauer hochwertige und gut ausgerüstet Boote bauen, in den meisten Fällen weit über den Standards der Normen. Eine deutliche Erhöhung der Sicherheit kann man allerdings in der Forderung für kleine offene Boote sehen, dass sie im Falle einer Kenterung den Benutzern als Schwimmhilfe dienen können müssen.
Seit 17.6.1998 müssen Sportboote der Sportboot-Richtlinie 94/25/EG entsprechen. Boote, die nach diesem Zeitpunkt in Verkehr gebracht werden sollen, müssen eine Konformitätserklärung des Herstellers haben und ein CE-Zeichen tragen. Vor diesem Termin gebaute Boote sind von dieser Regelung befreit. Dafür, wie das Handbuch aussehen soll, gibt es eine Norm, die DIN EN ISO 10240 Nach der Norm listet das Handbuch die wesentlichen technischen Daten des Bootes auf, und es beschreibt alle technischen Systeme. Ferner gibt es Hinweise zu Handhabung und Wartung.
Grundsätzlich müssen Sportboote mit Konformitätserklärung zwei Plaketten haben:
1. Rumpfnummer. Die Nummer sollte einlaminiert werden oder eingraviert sein, evtl. auch auf einer mit dem Rumpf vernieteten Platte. Eine zweite, gleiche Nummer muss sich an einer versteckten Stelle in oder am Boot befinden, Die Nummer (HIN: Hull-Identification-Number) oder enthält den Länder und Hersteller-Code (z.B. hat die österreichische Werft Frauscher den Code FRAU) und, sehr wichtig, das verschlüsselte Datum der Bootsherstellung. 2. Die Hersteller-Plakette mit CE-Zeichen, Entwurfskategorie (A,B,C oder D), Höchstlast und während der Fahrt zugelassene Personenzahl.
Ein gesondertes Thema stellen Gebrauchtboote dar. Denn seit der letzten Änderung der Sportbootverordnung vom 1.5.2004 gilt sie nur noch für Neuboote, aber nicht für Gebrauchtboote, sofern diese bereits vorher in der EU in Betrieb waren. Einen Spezialfall stellen gebrauchte Boote aus Drittländern wie z. B. der USA dar. Hier gilt: Von Privat zu Privat ist der Import ohne Nachzertifizierung möglich. Eine Ausnahme bildet die Schweiz. Wieder eine Ausnahme der Bodensee, wo auf Grund des Staatsvertrages gebrauchte Boote weiter problemlos gehandelt werden können. Will ein Händler ein Gebrauchtboot, selbst ein älteres aus den USA einführen, um es in der EU in Betrieb nehmen, dann muss es ein CE-Kennzeichen haben.