Trimarane segeln Bleifrei

Quorning Boats

23.10.2010 von IBN

Trimaransegeln, eine herrliche Sache! Wen es einmal auf einen solchen Dreibeiner verschlagen hat, wird ihm nur schwerlich den Rücken zeigen können. Mit 20 Knoten raumschots durchs Wasser zu zischen, dabei lässig auf dem Luvtrampolin sitzend und kaum Druck am verlängerten Pinnenausleger spürend, ...das hat was Berauschendes. Und was die „Höhe am Wind" betrifft: Die ist absolut gleichzusetzen mit der einer schlanken „Monohull-Yacht".

Auch das allgemeine Vorurteil: „Die manövrieren doch schlecht.", gehört der Vergangenheit an. Moderne Tris lassen sich auch unter ungünstigen Bedingungen in der Wende sicher durch den Wind bringen, ohne dass die Fock backgehalten werden muss. Ein Vorurteil allerdings stimmt. „Tris können nicht untergehen." Aufgrund des „fehlenden" Kielballastes und dank der Sandwichkonstruktionen von Rumpf, Schwimmern und Decksschale ist diese Sicherheit gleich mit eingebaut. Und schließlich lassen sich diese Boote, dank inzwischen ausgefeilter Schwing- oder Klappmechanismen an den Schwimmern auf Hafen- und Trailer freundliche Breite reduzieren. Außerdem gestattet der geringe Tiefgang (ohne Schwert) das Ausnutzen von Hafen- oder Ankerliegeplätzen, die tiefgehenden Kielyachten vorenthalten bleiben. Beim Ankern sollte übrigens die Ankerleine mit einem Hahnepot an beiden Schwimmern befestigt werden. Der Tri liegt dann sicherer und schwoit nicht unruhig ständig zu beiden Seiten. Für das Manövrieren in engen Häfen, lohnt (bei den kleineren Typen) ein Außenbordmotor, dessen Steuergriff per Stange mit der Pinne verbunden ist und somit den Ausschlägen konform folgt, das erleichtert das Manövrieren zusätzlich.

Typisch auch in den Häfen: Trimaransegler kommen schnell mit interessierten Nachbarliegern ins Gespräch, denn jeder möchte mehr sehen und Näheres über den „Exoten" hören. Und mit einem Tri kommt man weit herum, einerseits wegen des größeren Aktionsradius, zum Zweiten bietet sich das Trailern und somit ein gelegentlicher Revierwechsel an. Man schleppt schließlich keinen Bleiballast hinter seinem Auto her. Im Wesentlichen teilen sich zwei Werften den Fahrtentrimaran-Markt in Europa: Quorning Boats im dänischen Skaerbaek am Kleinen Belt und Corsair Marine in den USA. Beide Firmen fertigen seit 15 bis 20 Jahren Trimarane in größerem Umfang und verfügen über eine dementsprechende Erfahrung. Und doch sind beide Werften unterschiedlicher Meinung, was das Reduzieren der Breite angeht. Die dänischen Dragonflys schwingen die beiden Schwimmer in horizontaler Ebene nach achtern zum Rumpf hin, beide Unterwasserschiffe bleiben im Wasser. Die amerikanischen Farrier-Tris (der australische Konstrukteur heißt Ian Farrier, daher das „F" im Segel) werden zusammengeklappt, so dass im Hafen die Schwimmeraußenbordwände das Wasser berühren. Bei sauberem Wasser kein Problem, bei schmutziger Wasserfläche und längerer Liegezeit müssen möglicherweise beide Schwimmeraußenseiten nach dem Ausklappen etwas gereinigt werden. Was wir auch schon festgestellt haben, dass es an diesen Stellen zu Verfärbungen des Gelcoats kommt.

Beide Systeme gelten ansonsten als ausgereift. Bei soviel Trimaransonnenschein fällt natürlich auch ein wenig Schatten. Das Wohnraumangebot ist eingeschränkt. Andererseits lassen sich auch viele Dinge in den Schwimmern stauen. Empfehlenswert ist auf jeden Fall eine Cockpitpersenning, am besten gleich in Verbindung mit einer Sprayhood. Und noch etwas Negatives für „Sensibelchen": Bei hartem, kurzem Wellengang gegenan sind die Wackelbewegungen doch etwas „eckiger", als die einer konventionellen Fahrtenyacht.

Corsair Deutschland bietet gegen Berechnung auf den bewährten F-27 auch intensives Kennenlernen seiner Trimarane an, und zwar auf dem Chiemsee, Mitsegeln bei Regatten und auf Flottillen-, Trainings- oder Charterfahrten in der Adria. Der Geschäftsführer Dr. Werner Stolz, selbst Regattasegler, erreichte mit seinem F-31 R einen sehr beachtlichen (gesegelten) 11. Platz unter 550 teilnehmenden Booten bei der letztjährigen „Bol d'Or"-Regatta auf dem Genfer See, der größten europäischen Binnensee-Veranstaltung. Bei Quorning Boats ist Chartern oder Training nicht möglich, jedoch haben Werftchef Jens Quorning und Vater Börge, Firmengründer und Konstrukteur aller Dragonflys, in der Regel das eine oder andere Vorführboot im Hafen von Skaerbaek liegen, geben auch gern Referenz-Dragonflys an, die in der Nähe eines Interessenten liegen.

Als man in dem kleinen dänischen Ort am Kleinen Belt Ende der 60er-Jahre mit dem Bootsbau begann, dachte zunächst noch niemand an Mehrrumpfboote. Später wurde mit der Fertigung des 27-Fuß-Trident und größeren Einzelbauten begonnen. Dann kam der Durchbruch mit dem Dragonfly 800, zunächst noch mit einer starren Breite von 5,60 Metern. Jens und Bruder Erik gewannen 1985 gegen mächtige, und von Sponsoren kräftig unterstützte, Konkurrenz das „Round Britain"-Race. Mehrfach (1985, 1986 und 1988) wurde die Topveranstaltung in Europa, die „Meisterschaft der Micro-Multihulls" gewonnen. Von da ab ging es zunächst zögernd, dann aber mit großen Schritten aufwärts. Der „1000er" war die nächste Konstruktion, die so erfolgreich wurde, dass die amerikanische Zeitschrift „Cruising World" diese 1994 zum „Boat of the Year" kürte. Es folgte die „920-Version", und schließlich wurde auf der Düsseldorfer Bootsausstellung 2000 der „1200er" präsentiert. Heute hat Quorning Boats volle Auftragsbücher und könnte mehr umsetzen, jedoch fehlt es – wie überall in Dänemark (!) – an fachkundigem Produktionspersonal.

Fazit: Das Segeln in der „Dritten Dimension" hat sich aus dem Bastelstadium längst verabschiedet. Gemerkt haben das nur wenige. Und das, obwohl Segeln mit hoher Geschwindigkeit unbändigen Spaß macht und die sprichwörtlichen Kinderkrankheiten bei Serienbooten der Vergangenheit angehören. P. Schweer.

 

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