Chartern: Vorsorge ist die halbe Miete
01.01.2010 von IBN
Alles, was über das stundenweise Mieten eines Bootes hinausgeht, nennt sich in der Fachsprache „Charter". Der englischsprachige Begriff bedeutete ursprünglich Urkunde, wird aber seit langem in der gewerblichen Schifffahrt im Sinne von „Miete eines Schiffs" gebraucht, und hat sich seit vielen Jahren schon in der Sportschifffahrt etabliert. Bareboat, Kojencharter oder Flottille? Doch damit nicht genug: Begriffe wie Bareboat-Charter, Kojencharter oder Flottillen-Charter sind ebenfalls gebräuchlich, und verdeutlichen, dass Charter nicht gleich Charter ist.
Dabei ist Bareboat-Charter sicherlich die anspruchsvollste Variante. Hier gibt es keinen „gemieteten" Skipper, die Crew wird individuell zusammengestellt und ist selbst verantwortlich für die gecharterte Yacht. Will die Crew zum ersten Mal auf große Fahrt gehen, kann sie sich auch einen Skipper „anheuern". Dieser übernimmt als Schiffsführer die Verantwortung, regelt Formalitäten und profiliert sich in kritischen Situationen hoffentlich mit seiner Erfahrung. Diese Variante ist allerdings nicht ganz billig. Und sie kann Probleme mit sich bringen: Die Crew besteht möglicherweise aus einem alteingesessenen Bekanntenkreis. Der Skipper hingegen ist ein Fremder. Das kann eine absolute Bereicherung sein, kann aber auch – gerade auf so engem Raum wie einem Boot – für Differenzen sorgen.
Wer hingegen meint, dass er sein Boot schon ganz gut beherrscht, sich aber in fremden Revieren noch ein wenig unsicher fühlt, ist beim Flottillen-Charter gut aufgehoben. Die Flottille besteht gewöhnlich aus mehreren Charteryachten und einem „Mutterschiff". Die Leitung der Flottille übernimmt ein erfahrener Skipper auf dem „Mutterschiff", der für Sicherheit und Service der Flottillen-Segler verantwortlich ist. Auf diese Weise können unsichere Crews oder auch Familien einen vergleichsweise risikofreien Urlaubstörn verbringen und haben dennoch das Gefühl von Individualität.
Nun gibt es aber auch jene, die über wenig Segelerfahrung verfügen, aber dennoch den Traum vom Zauber fremder Reviere haben. Oder auch solche, die keine eigene Crew auf die Beine stellen können, aber auf einen Urlaubstörn nicht verzichten möchten. Sie können sich, vorzugsweise bei Flottillen-Törns, mit anderen Alleinreisenden um einen Kojenplatz bewerben. Dazu sind keine großen Vorkenntnisse nötig, allerdings muss gewährleistet sein, dass mindestens ein Besatzungsmitglied wenigstens über eine gute A-Schein/Bodensee-Schifferpatent-Erfahrung verfügt. Sportlichkeit und eine gewisse Seetüchtigkeit jedes einzelnen sollten als Voraussetzung selbstverständlich sein.
Noch bevor Sie mit Ihrer Crew in gemütlicher Runde Prospekte mit den verschiedenen Booten der einzelnen Charterfirmen durchblättern, sollte Einigkeit bestehen, in welches Revier es gehen soll. Wir wollen Ihnen da nicht viel hereinreden, gehört doch die Suche des geeigneten Reviers mit zu den schönsten Aufgaben bei der Törnplanung. Und eines ist sicher: Traumgebiete gibt es weltweit. Allerdings ist ihr Schwierigkeitsgrad sehr unterschiedlich. Dabei sind gerade die entfernten und in Skippers Träumen oft an erster Stelle stehenden Reviere wie Teile der Karibik, Thailand und Polynesien vom seglerischen Anspruch her gar nicht so schwer. Die Nordsee hingegen kann auch einen geübten Binnensegler noch vor die eine oder andere Überraschung stellen. Egal, wofür Sie sich entscheiden – wichtig ist, dass die Ansprüche des gewählten Reviers nicht Ihr seglerisches Können übersteigen. Detaillierte Revier-Informationen und Auskünfte darüber, welche Charterfirmen vor Ort vertreten sind, erteilt die Vereinigung Deutscher Yacht-Charterunternehmen (VDC) unter (02 21) 59 57 10. Informationen über die einzelnen Reviere und auch die Führerscheine, die möglicherweise benötigt werden, gibt auch der ADAC, Tel. (0 89) 7 67 60.
Bei der Routenplanung sollten Sie unbedingt nach dem Grundsatz „Weniger ist mehr" gehen. Eine sportliche, segelbegeisterte Crew möchte natürlich in erster Linie Seemeilen hinter sich bringen, während eine Familiencrew gerne öfters einmal Badepausen oder Landgänge einlegt. Dies muss ebenso bedacht werden, wie der Schwierigkeitsgrad bestimmter Routen: Ist die Crew in der Lage, auch Nachtfahrten zu meistern und kommt sie mit langen Schlägen gegen die allgemeine Windrichtung gut zurecht? Wichtig ist es, dass man sich bei der Planung auf dem Papier nicht übernimmt, denn in der Praxis schafft man oftmals viel weniger Seemeilen als vorgesehen. Dies kann durch eine notwendige Reparatur, einen Sturm oder einen nicht geplanten Landgang schnell passieren. Es wäre ärgerlich, sich diese Flexibilität im Urlaub durch einen allzu strengen Törnplan kaputtzumachen, denn der Stress ist dann vorprogrammiert. Eine sportliche Crew sollte sich bei einer durchschnittlichen Fahrt von 4 Knoten nicht mehr als 40 Seemeilen pro Tag vornehmen, bei der Familie sollte etwa die Hälfte als Tagesprogramm ausreichend sein.
Allein am Bodensee gibt es mehr als 50 Vercharterer, die über 75 Bootstypen anbieten. Bevor Sie in der Fülle des Prospektmaterials versinken, möchten wir Ihnen mit ein paar wichtigen Informationen weiterhelfen. Bei der Wahl des geeigneten Charterbootes spielen drei Faktoren eine wichtige Rolle: Neben der Frage nach der richtigen Grösse stellt sich natürlich in erster Linie die Kostenfrage. Dazu ist es nicht ganz unerheblich, ob eine Yacht gut zu handhaben ist. Gerade als unerfahrener Segler wird man in der Praxis dankbar sein, eine Yacht mit gutmütigen Segeleigenschaften gebucht zu haben und nicht ein launisches Sportboot, mit dem sich gleichwohl im Hafen beim Liegeplatznachbarn mehr Staat machen lässt. Doch derlei Eitelkeiten sind fehl am Platz. Es empfiehlt sich ein ausführliches Gespräch mit dem Vercharterer, bei dem man keine falsche Scheu zeigen und über seine seglerischen Fähigkeiten ehrlich Auskunft geben sollte.
Zur Größe der Yacht sei folgendes gesagt: Steht im Prospekt des Vercharterers, dass die Kajüte über Kojen für acht Crewmitglieder verfügt, heißt das noch lange nicht, dass man das Boot auch zu acht segeln sollte. Denn ein Boot ist eigentlich nie geräumig genug. Natürlich ist die völlige Auslastung der Yacht preiswerter, doch stellen Sie sich vor, Sie erwischen ein Regentief über der Ostsee und dürfen sich tagelang zu acht im Salon zusammendrängen. Meistens sind die Stauräume sehr knapp bemessen, es fehlt an ausreichenden Möglichkeiten, nasse Kleidung aufzuhängen, und es gibt nur wenig Raum, in den sich der Einzelne einmal zurückziehen kann. Leicht wird so aus dem Traumurlaub ein Horrortrip, denn Erholung erübrigt sich in einer solchen Sardinenbüchse. Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, immer ein bis zwei Kojen unbesetzt zu lassen. Und noch ein Tipp bei der Wahl des Bootes: Lassen Sie sich Auskunft über das Baujahr geben, und lassen Sie sich dabei vor allem nicht durch eines täuschen: Eine zehn Jahre alte Yacht aus Privatbesitz mag noch in einem Top-Zustand sein. Eine GFK-Charteryacht mit hartem Alltagsleben ist bereits nach fünf bis sechs Jahren ein „altes Eisen" und kann erhebliche Mängel aufweisen.
Kommen wir zum dritten Punkt, den Kosten. Hier muss man sich klar werden, dass es ähnlich wie bei der Autovermietung für die verschiedenen Modelle verschiedene Preise gibt. Eine finnische Swan, aufgrund ihrer Verarbeitung und Ausstattung sicherlich der Mercedes unter den Segelyachten, ist natürlich zu einem anderen Preis zu chartern als eine Jeanneau, die eher der Golfklasse entspricht. Hier muss sich der Kunde selbst ein bisschen kundig machen, damit er die Preise miteinander vergleichen kann. Dann ist natürlich die Größe ein Preisfaktor. Hier lässt sich einfach vergleichen. Schwieriger wird es, wenn es um Sonderleistungen geht. So kann es passieren, dass Anbieter mit billigen Preisen werben, dann aber jedes Extra in Rechnung gestellt wird, die Übernahme oder auch die Endreinigung nochmals bezahlt werden müssen. Hier lohnt sich der Vergleich und die Frage, was in einem Arrangement alles enthalten ist.
Chartern ist im Grunde für jeden interessant. Für den Bodenseeskipper, der einmal ein anderes Boot und ein anderes Revier kennen lernen möchte. Aber auch , oder eben gerade für den Einsteiger in den Wassersport ist das Chartern eine günstige Alternative. Wichtige Voraussetzung ist sicherlich beim Bareboat-Charter der Segelschein, ansonsten ist man in der Entscheidung weitgehend frei und kann langsam seine seglerischen Erfahrungen sammeln. Natürlich wird einer, mit der Erfahrung von zehn Jahren Schönwettertörns, je 14 Tage Adria, nicht den Anspruch erheben, für eine selbstgeführte Atlantiküberquerung „reif" zu sein. Aber auch er wird nach einigen Jahren vielleicht die Anfänge eines „Salzbuckels" fühlen und wird sich mit dem Gedanken an ein eigenes Boot beschäftigen. Für Mitglieder der Kreuzer-Abteilung des DSV gibt es auch interessante Möglichkeiten, Kenntnisse auszubauen: So gibt es in Kooperation mit dem Deutschen Hochseesportverband Hansa e.V. (DHH) dreitägige Charter-Praxis-Trainingskurse auf werftneuen X-382 Yachten. Informationen erteilt die hanseatische Yacht-Schule Glücksburg, Telefon (0 46 31) 6 00 00.
Wünschenswert wäre es, diesem Einsteiger, der oftmals nicht viel mehr kann als er in einem Intensiv-Kurs aufs Schnellste gelernt hat, mit ein bisschen mehr Toleranz entgegenzutreten. Denn schließlich sind die meisten Charterer keine „Unmenschen", die aus dem reinen Vergnügen heraus ein Boot falsch festmachen, sondern weil sie es nicht besser gelernt haben. Mit ein bisschen mehr Miteinander und Hilfsbereitschaft lassen sich viele Probleme aus der Welt schaffen und vielleicht gar neue Segelfreunde gewinnen.