Wenn Segelboote übers Wasser fliegen

eagle

Friedrichshafen , 09.09.2015 von IBN

Die Idee ist schon ein halbes Jahrhundert alt, richtig populär wurde sie durch den 34. America’s Cup in San Francisco. Seitdem gilt Foiling als Segeln 3.0.

Mit Tragflächen heben Boote vollständig aus dem Wasser ab und erreichen ungeahnte Geschwindigkeiten. Die Interboot widmet der dritten Generation des Segelsports vom 19. bis zum 27. September in der Rothaushalle/A1 eine Sonderschau. 

Als die beiden Riesenkatamarane aus Neuseeland und den USA im Jahr 2013 zum Showdown um die älteste und begehrteste Segeltrophäe der Welt antraten, zogen sie auch die deutschen Fernsehzuschauer in ihren Bann. Die packenden Bilder faszinierten nicht nur die Fangemeinde, sondern ein viel breiteres Publikum. Mit mehr als 40 Knoten (fast 80 km/h), der doppelten Windgeschwindigkeit, flogen die Rennmaschinen über die Wasseroberfläche, fast ohne diese zu berühren. Siegentscheidend in einem dramatischen AC-Finale war letztlich, dass das Team Oracle von Softwaremogul Larry Ellison schon damals das Kunststück fertig brachte, beide Rümpfe sogar hoch am Wind konstant aus dem Wasser zu bekommen. 

Letzteres ist zwei Jahre später zwar immer noch nicht Standard; das Foilen, wie die Aktiven es nennen, ist jedoch der Trend schlechthin unter den geschwindigkeitshungrigen Seglern. Längst wurden die herkömmlichen, geraden Schwerter, die „nur“ die seitliche Abdrift verhindern, auch auf kleineren Booten, durch Tragflächen (englisch: Foils) ersetzt. Die haben je nach Typ und Klasse ganz unterschiedliche Formen. Es gibt inzwischen sowohl Einrumpf-, als auch Zwei- und Dreirumpfboote. 

Das Grundprinzip bleibt immer gleich: Je geringer die benetzte Fläche, das heißt je weniger vom Bootskörper im Wasser ist, desto höher die Geschwindigkeit. Erste, wenn auch provisorisch anmutende, aber durchaus halbwegs erfolgreiche Versuche mit dem ehemals olympischen Tornado-Katamaran gehen auf die Sechziger-Jahre zurück. Damals wurde seitlich an den Rümpfen eine Holzbrettkonstruktion befestigt, die für Auftrieb sorgte. Heute erzielen die Foiler den gewünschten Effekt durch horizontale Flächen an den Schwertern. Diese sorgen je nach Anstellwinkel in Fahrtrichtung beim Vortrieb für Auftrieb. Das funktioniert genauso wie beim Wasserskifahren, nur eben durch den Wind angetrieben, nicht von Motorkraft. 

Auf der Sonderschau in der Rothaushalle/A1 wird es eine „Motte“, einen A-Kat und einen 20-Fuß-Katamaran zu sehen geben. Erstere ist eine Einmann-Einrumpfjolle, lediglich 3,35 Meter lang, aber 2,25 Meter breit. Ein Trapez gibt es nicht, doch damit enden auch schon die wenigen Einschränkungen der internationalen Konstruktionsklasse Moth. Erlaubt ist alles, was schnell macht. Abgesehen von modernster Bootsbautechnik in Kohlefaser-Sandwich, die eine ‚Motte‘ oft unter 30 Kilogramm wiegen lässt, sind das Schwert und Ruder in umgedrehter T-Form. Motten-Segler sind die Akrobaten unter den Jollenfreaks. Zwar hilft eine Art Messstab unterm Bug, der den Anstellwinkel der T-Fläche reduziert, je höher der Rumpf aus dem Wasser kommt. Doch vor allem die Standardmanöver Wende und Halse werden bei mittleren bis starken Winden zu Expertenübungen mit hohem Abflugpotential. Und Ausruhen ist bei einer Wasserlinienbreite von nur etwa 35 Zentimetern ein kippeliges Unterfangen. Dafür gelten sie mit mehr als 20 Knoten Höchstgeschwindigkeit als schnellstes Solo-Dinghy der Welt. 

Ein zwar deutlich stärker vorgegebenes, aber immer noch offen progressives Regelwerk der A-Kats hat der internationalen Einmann-Katamaranklasse die Welt des Fliegens eröffnet. Die Bootswerft Scheurer aus der Schweiz bringt ihren mit Europameistertitel 2014 dekorierten G7 nach Friedrichshafen. Der 5,49 Meter lange und 2,30 Meter breite Hightech-A-Kat aus Karbon (Nomex-Wabe) wiegt 75 Kilogramm (Mindestgewicht). Er hebt auf beiden J-förmigen Schwertern gleichzeitig ab, die laut bis dato gültiger Klassenvorschrift immer noch von oben in den Schwertkasten gesteckt werden müssen. Deren Form wie die der Rümpfe und Ruder wurden CFD-optimiert, das heißt per Computerberechnung der Designer. 

Vom Altmühlsee bei Nürnberg an den Bodensee kommt der Eagle 20 HF (für HydroFoils). Eagle-Vater Heiner Wolfshöfer, ein Urgestein der deutschen Strandkatszene, hat sein Topmodell in diesem Jahr auf den Markt gebracht. Der 6,20 Meter lange und 3,34 Meter breite Zweimann-Katamaran kann schon ab Windstärke zwei in den Flugmodus gelangen. Dabei setzt Wolfshöfer ähnlich der Motten in erster Linie auf T-Foils, die auch auf der Interboot gezeigt werden. Bei Starkwind soll das Boot bereits einen Topspeed von 36,7 Knoten entsprechend 68 km/h erreicht haben. 

Beim Eagle 20 HF werden die T-Flügel nachträglich an die geraden, üblichen Schwerter montiert, so dass je nach Windstärke und Können der Crew auch auf die Tragflächen verzichtet werden kann. Wolfshöfer experimentiert nach eigener Aussage bereits an einer Automatik für den optimalen Anstellwinkel, die im kommenden Jahr serienreif werde und selbst dem Gelegenheitssegler das Foilen leicht mache. Außerdem lasse der flexible Schwertkasten beim Eagle 20 HF auch jede andere Foilform zu, so Wolfshöfer. 

Die Interboot ist von Samstag, 19. bis Sonntag, 27. September 2015 täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet, der Interboot-Hafen täglich bis 19 Uhr. Die Tageskarte kostet 10 Euro, ermäßigt 8 Euro. Weitere Informationen gibt es im Internet unterwww.interboot.de

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