Neutrogena“ rundet Kap Hoorn mit Kielschaden
08.03.2011 von IBN
68 Tage nach dem Start der Nonstop-Regatta rund um die Welt bog das deutsch-amerikanische Duo auf Platz vier im Zwischenklassement aus dem Pazifik in den Atlantik ab. Coh sie haben ein Handikap: Ein defekter Hydraulikzylinder des Schwenkkiels wird die „Neutrogena“-Crew auf der Heimreise zu defensiver Fahrweise zwingen. Rund einen Monat müssen Mensch und Material noch durchhalten, ehe sie im spanischen Start- und Zielhafen Barcelona zurückerwartet werden.
Ungeachtet der technischen Probleme an Bord feierten Herrmann und Breymaier den magischen Moment, der seit vielen hundert Jahren für Seefahrer aus aller Welt als Bezwingung des Olymps gilt. Mit Filmkamera und Fotoapparat hielt die jüngste Mannschaft im Teilnehmerfeld das Kap als imaginäre Grenze zwischen Southern Ocean und Südatlantik fest – bei strömendem Regen zwar, aber im Tageslicht, nachdem sich die erwartete Rundung einige Stunden verzögert hatte. Ein chilenisches Marineschiff war dort, und parallel passierte der französische Rekordsegler Thomas Coville mit seinem Maxi-Trimaran „Sodebo“ das Kap Hoorn. Keine zwei Bootslängen von der „Neutrogena“ entfernt überholte der Franzose mit seinem Mehrrumpfboot. Die Segler sprachen miteinander tauschten ebenfalls beste Wünsche aus.
„Stolz, Genugtuung, aber auch Erleichterung“ – so spontan die wichtigsten Gefühle der beiden Kap Horniers. Für den geborenen Oldenburger war es nach 2009 bereits die zweite Umrundung. Damals hatte er seine erste Weltregatta, das Portimão Global Ocean Race, über fünf Etappen mit dem Hamburger Felix Oehme gewonnen; Breymaier dagegen freute sich diebisch, der erste Neuling am Hoorn im Feld der 24 Hochseeartisten auf zwölf noch im Rennen verbliebenen Booten zu sein. Zwei der 14 gestarteten Teams mussten aufgeben.
So schlimm soll es für die „Neutrogena“ nicht kommen, aber die Sorgenfalten auf der Stirn ihrer Skipper sind groß. Die Panne mit dem Schwenkkiel hatte sich bereits in der Vorwoche bei rauen Bedingungen im Südpolarmeer ereignet, nachdem zuvor beinahe Platz drei von der „Renault“ mit Pachi Rivero und Antonio Piris erobert worden war. Die Spanier rundeten Kap Hoorn 16 Stunden zuvor mit rund 180 Seemeilen Vorsprung. Das schlimmste eines Sturmtiefs schien am Donnerstagfrüh (3. März) schon überstanden, als die 18,29 Meter lange IMOCA Open 60-Yacht unter Selbststeueranlage bei Windstärke sieben von allein „die perfekte Welle“ fand und von dem zirka sechs Meter hohen Berg abhob, um umso heftiger wieder zu landen.
„Es war der härteste Aufprall während des Rennens bisher. Und danach hielt der Kiel plötzlich nicht mehr in seiner nach Luv ausgeschwenkten Position, sondern pendelte frei nach Lee“, berichtete Boris Herrmann. Sofort trat in der Bilge am Schwenkmechanismus Hydrauliköl aus. Während zweitägiger Reparaturversuche musste die Mannschaft „vom Gas gehen“, arbeitete Tag und Nacht in ständigem Telefonkontakt mit Technikern ihres Teams und des Herstellers „Hydroem“ in Frankreich.
Letztlich gelang es, das Problem soweit zu minimieren, dass bei gemäßigten Windbedingungen wieder voll gesegelt werden kann. „Wenn es aber ruppiger wird, besonders mit steilen Wellen, müssen wir das Risiko begrenzen, dass auch noch der zweite Hydraulikzylinder seinen Geist aufgibt.“ Denn die defekten inneren Dichtungen des ersten Zylinders sind unterwegs mit Bordmitteln nicht zu reparieren. „Es ist schwer zu sagen, wie stark uns das auf dem letzten Teilstück beeinträchtigen wird“, meinen die Skipper, „im Zweifel können wir jedoch nicht mehr auf Angriff segeln.“ Das Defizit im Leistungspotential könne zwischen null und 40 Prozent liegen.
Die Entscheidung über den Gesamtsieg dürfte zwischen der seit vielen Wochen führenden „Virbac-Paprec 3“ mit den Franzosen Jean-Pierre Dick/Loïck Peyron und den Spaniern Iker Martínez und Xabi Fernández auf der „Mapfre“ fallen. Die Topfavoriten verteidigten bis Dienstagvormittag einen nur scheinbar komfortablen Vorsprung von 171 Seemeilen vor den ehemaligen Olympiasiegern im 49er, die mit besserer Brise am Südostrand des St. Helena-Hochdruckgebiets aufkommen. Deutlich ist jedoch der Rückstand der Verfolger. Bei der „Renault“ beträgt er mit fast 1.350 Seemeilen inzwischen rund fünf Tage.
Wie der Kampf um den dritten Podiumsplatz ausgehen wird, scheint indes noch völlig offen. Durch ihren zweitägigen Reparaturstopp in Neuseeland gestärkt holte die französische „Groupe Bel“ von Kito De Pavant und Sébastien Audigane zuletzt mit Riesenschritten auf, klagen inzwischen aber auch über ein Kielproblem. Die „Mirabaud“ des Schweizer Dominique Wavre, der wegen seiner an Blutarmut leidenden Frau und Co-Skipperin Michele Paret aus Frankreich seit mehreren Tagen im Sicherheitsmodus unterwegs ist, hat die „Groupe Bel“ schon im Kielwasser.
1. Virbac-Paprec 3: Jean-Pierre Dick / Loïck Peyron (beide Frankreich) noch 5.361,5 Seemeilen
2. Mapfre: Iker Martínez / Xabi Fernández (beide Spanien) 171,1 Seemeilen zurück
3. Renault: Pachi Rivero / Antonio Piris (beide Spanien) 1.346,8
4. Neutrogena: Boris Herrmann / Ryan Breymaier (Deutschland/USA) 1.549,8
5. Groupe Bel: Kito De Pavant / Sébastien Audigane (beide Frankreich) 1.641
6. Mirabaud: Dominique Wavre / Michèle Paret (Schweiz/Frankreich) 1.745,5
7. Estrella Damm: Alex Pella / Pepe Ribes (beide Spanien) 1.763,9
8. Hugo Boss: Wouter Verbraak / Andrew Meiklejohn (Die Niederlande/Neuseeland) 2.456,1
9. GAES: Dee Caffari / Anna Corbella (Großbritannien/Spanien) 2.622,6
10. Fòrum Marítim Català: Gerard Marín / Ludovic Aglaor (Spanien/Frankreich) 4.493,8
11. Central Lechera Asturiana: Juan Merediz / Fran Palacio (beide Spanien) 6.188,8
12. We are Water: Jaume Mumbrú / Cali Sanmartí (beide Spanien) 6.188,8
Président: Jean Le Cam / Bruno García (Frankreich/Spanien) aufgegeben mit Mastbruch
Foncia: Michel Desjoyeaux / François Gabart (beide Frankreich) aufgegeben mit Mastbruch