Runter mit der bunten Blase
Radolfzell, 14.05.2014 von Hans-Dieter Möhlhenrich
Das funktioniert, solange der Spi beim Bergen keinen Wind einfängt und hinter das Großsegel ausweht. Das Manöver hat zudem den Nachteil, dass es mindestens zwei, eher drei Mann beschäftigt. Und es ist unendlich langsam. Schon immer waren wir daher auf der Suche nach Alternativen Bergemethoden. Zwei davon haben sich nach längerem Ausprobieren dabei gut bewährt: die „Stretch-Methode“ und das „Bergen in Luv“.
Auch bei der „Stretch-Methode“ wird zunächst die Genua gesetzt. Es ist zudem wichtig, dass man das Fall so bereitlegt, dass es frei läuft und sich nirgends verhakt und sich keine Kinken bilden. Eventuell muss man es auch rund einen Meter vorfieren. Kurz bevor der Spinnaker geborgen werden soll, wird der Spibaum mit dem Achterholer gerade bis zum Vorstag gefiert. Und dann holt man die Leeschot dicht. Das ist der wichtigste und allererste Punkt, denn dadurch wird dem Spinnaker sämtlicher Wind abgeklemmt, er fällt hinter der Genua zusammen, auch fast hoch am Wind. Und dann?: Dann lässt man einfach das Fall rauschen – sie haben richtig gelesen. Ein Vorschoter sammelt schnell den Spinnaker ein, der leicht nach Lee ausweht und langsam herunterschwebt. Und keine Angst, wenn der Vorschoter nicht schläft, fällt der Spinnaker nicht ins Wasser. Das Zusammenraffen kann man auf dem Vorschiff unter der Genua durchmachen und den Spinnaker ins Vorluk stopfen, wobei der Vorschoter am besten sitzt. Es geht bei kleineren und schmalen Booten auch vom Cockpit aus in Lee unter dem Großbaum durch in den Niedergang. Der Vorschoter beginnt beim Bergen mit dem Fußliek des Spis. Hat man den Spi weitestgehend geborgen, muss man nur noch zum richtigen Zeitpunkt den Achterholer fieren und die Leeschot. Spibaum wegpacken, fertig. Das muss man ein paarmal üben. Eventuell muss man auch das Fall zunächst nur bis zirka zur Hälfte ausrauschen lassen, und dann, wenn der Vorschoter den Spi im Griff hat den Rest laufen lassen. Man muss bei dieser Methode zudem darauf achten, dass ein Achtknoten am Ende des Falls ein komplettes Ausrauschen verhindert. Hat man dieses Manöver im Griff, geht es rasend schnell. Vor allem für Einhandsegler gibt es kaum eine bessere und schnellere Methode, den Spinnaker wieder runter zu holen. Und auch sonst reichen ein oder zwei Vorschoter dafür aus, während der Rest der Crew das Boot weiter steuern und trimmen kann. Wir können nur empfehlen – ausprobieren, es geht klasse.
In den letzten Jahren hat sich zudem ein weiteres Manöver durchgesetzt, das das Manöver mit Halse an der Leetonne wesentlich schneller macht, mit Yachten bis zu gut 40 Fuß und nicht extrem großen Spinnakern funktioniert und vor allem für Regattaasegler interessant ist. Auch wenn man weiß, dass man das ganze Spigeschirr nachher auf der jetzigen Seite braucht, ist dieses Manöver eine Überlegung wert. Es funktioniert allerdings nur bei achterlichem Wind. Üblicherweise wird vor der Tonne gehalst und der Spinnaker dann im neuen Lee geborgen. Bei unserem Manöver wird der Spinnaker entgegen allen Regeln in Luv geborgen. Wenn man sich der Tonne nähert, setzt man die Fock oder Genua und stellt sie bereits grob für den neuen Kurs ein. Dann klingt man den Spibaum aus, versorgt ihn. Dazu reicht es z. B., dass man den Spibaum zunächst einfach an den Mast hochklappt, wie das in manchen Klassen gemacht wird. Für kurze Zeit fährt die Crew den Spi frei fliegend ohne Spinnakerbaum. Der Vorschoter kann den Spibaum am Achterholer ersetzen. Dabei kann man auch die Barberholer dichtholen, damit man den Spinnaker besser unter Kontrolle behält. Dann kommt der Spinnaker runter, man zieht den Spi am Fußliek, greift sich die Luvschot, zieht sie zu sich, die Leeschot wird gefiert, der Spinnaker fällt ein, das Fall wird schnell gefiert und der Spi auf dem Vorschiff geborgen und in der Luke versorgt. Der Vorschoter hat anschließend Zeit das Boot zu klarieren. Der Steuermann geht an den Wind. Das kann man auch mit einer Halse verbinden. Das Manöver ist dann noch einfacher, denn der Spinnaker wird in die Genua gedrückt und fällt fast von alleine in das Vorschiffsluk. Es ist viel einfacher, als das Bergen in Lee und deshalb auch für Fahrtensegler interessant. Wie mühselig ist es doch immer, den Spinnaker unter der Genua hindurch ins Luk zu zerren. Und so wird’s gemacht: Genua setzen, Spibaum aushängen und versorgen, der Spi wird freifliegend gefahren. Anschließend halsen und den Spi auf die neue Seite nehmen, Spi wie oben (Fotoserie) beschrieben bergen.
Das scheint zunächst recht ungewöhnlich und wiederspricht allem, was man über Jahre gelernt hat. Aber das funktioniert gut und ohne Risiko und ebenso kontrollierter als das Bergen in Lee. Und wie überall gilt:Übung macht den Meister.