Einen Sturm abwettern
Radolfzell, 15.06.2013 von Michael Häßler
Mit einem langsamen Verdränger, vor allem mit einem Boot, das für Flüsse und Kanäle und nicht für offenes Wasser konstruiert wurde, ist die Welle aber ein Thema. Besonders Welle, die direkt von der Seite kommt, mögen die wenigsten dieser Boote. Sie können sich aufschaukeln und, in Verbindung mit einer ungeschickten Ruderbewegung, möglicherweise auch kentern. Fatal kann es werden, wenn der Gewichtsschwerpunkt, beispielsweise durch Besatzung auf Deck oder Flybridge oder durch andere entsprechende Zuladung, höher liegt, als das der Konstrukteur bei seinen Stabilitätsberechnungen eingeplant hat. Es gilt also, das Gewicht möglichst tief und mittig zu konzentrieren und steile Wellen von der Seite zu meiden. Es lohnt sich, dafür einen Umweg zu fahren und das ablandige Ufer des Bodensees anzulaufen, wo die Wellenhöhe deutlich geringer ist. Ein Motorboot, das mit langsamer Fahrt in einem mehr oder weniger spitzen Winkel gegen den Wind und gegen die Welle anläuft, wird nicht nur sicher durch den Sturm kommen, sondern gleichzeitig auch seinen Leeraum erweitern. In prekären Situationen ist das der einzig richtige Kurs.
Das gilt im Wesentlichen auch für Segelboote. Gerade behäbigere Jollen und Jollenkreuzer mit flachem U-Spant können ebenfalls Mühe mit seitlichen Wellen haben. Bei Kielbooten mit fülligeren Spantformen ist das nicht so gravierend.
Solange sich ein Boot an der Kreuz segeln lässt, sollte man in schwerem Wetter kreuzen, um Abstand vom auflandigen Ufer zu bekommen. Dabei macht sich eine kleine und flach profilierte Fock bezahlt. Auch ein Großsegel, das flach gezogen werden kann, macht die Segelei bei schwerem Wetter überhaupt erst möglich.
Falls der Wind zu stark und viel Leeraum vorhanden ist, kann man auch vor Topp und Takel das Gewitter ablaufen oder vor dem ablandigen Ufer ankern.
Bei Starkwind oder Sturm einen auflandigen Hafen anzulaufen, ist immer die riskanteste aller möglichen Lösungen. Den Hafen unter Segeln anzulaufen, ist nur möglich, wenn genügend Platz für einen Aufschießer vorhanden ist.
Die Segel vor dem Hafen zu bergen, ist gerade mit kleiner oder unerfahrener Mannschaft mit Risiken behaftet. Dazu kommt, dass es in dieser Schaukelei schnell mal passieren kann, dass ein Tampen, der über Bord hängt, übersehen wird. Gerät dieser in die Schraube, ist eine Strandung kaum mehr zu vermeiden.
Der Schiffsführer steht in solchem Wetter oftmals unter dem Druck der Mannschaft, die so schnell wie möglich in den angenehmen und vermeintlich sicheren Hafen und an Land möchte. Gerade wenn jemand mit Seekrankheit kämpft oder unerfahrene und ängstliche Mitsegler an Bord sind, kommt eine solche Situation vor. Der Skipper muss dennoch die Risiken genau abwägen und sich überlegen, welches Wagnis er bereit ist, einzugehen. Ein Boot erleidet keinen Schaden, so lange es auf dem freien Wasser ist, und ein Gewittersturm dauert ebenso selten länger als eine Stunde. Für die Besatzung eines Kielboots ist es dort vielleicht unangenehm, aber nicht bedrohlich.
Problemlos sieht es vor dem ablandigen Ufer aus. Ein dort befindlicher Hafen kann ohne Gefahr, kontrolliert gegen den Wind angelaufen werden. Eine Alternative, gerade mit unerfahrener Crew, ist es, vor dem ablandigen Ufer zu ankern und erst einzulaufen, wenn der Wind etwas nachgelassen hat.
Ein Segelboot fährt entweder unter Motor oder es segelt. Beides zusammen verträgt sich in den meisten Fällen nicht. Während es den alten Zweitaktern egal war, in welcher Lage sie betrieben wurden, besitzen Viertakt-Außenborder und Dieselmotoren eine Ölwanne unter dem Kurbelgehäuse. In diese Ölwanne ragt der Ansaugstutzen der Ölpumpe. Taucht dieser aufgrund großer
Krängung aus, fördert die Pumpe statt Öl nur noch Luft in den Schmierkreislauf. Der Öldruck fällt ab und der Motor kann zerstört werden. Das ist der Grund, weshalb die Motorenhersteller einen maximalen Krängungswinkel angeben.