90 Jahre Seenforschung

ufer allensbach

11.01.2011 von Michael Häßler

Als „Anwalt des Bodensees“ bezeichnete Margareta Barth, die Präsidentin der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz das Institut für Seenforschung in Langenargen. Bei einem Kolloquium aus Anlaß des 90-jährigen Geburtstags des Instituts würdigte sie in ihrer Ansprache die Gründer des damaligen Vereins für Seenforschung und Seenbewirtschaftung.

Am 16. September 1920 sei der Verein eingetragen worden, erklärte dessen Vorsitzender Ulrich Müller. Er existiert heute als „Verein der Freunde des Institus für Seenforschung und des Bodensees e.V.“. Müller, den die Wassersportler vor allem durch seinen vehementen Einsatz zugunsten der hoch defizitären Katamaranlinie kennen, möchte den Mitgliederbestand mindestens verdoppeln.

Institutsleiter Heinz Gerd Schröder gab einen kurzen Überblick über die Geschichte der Seenforschung, deren Interesse auch schon immer die Ertragssteigerung der Fischer gewesen sei. Mitte der zwanziger Jahre habe man sich Gedanken darüber gemacht, wie der See die wachsende Bevölkerung mit Fisch ernähren könne. Schon damals sei der Zusammenhang zwischen Phosphatgehalt und Fischertrag bekannt gewesen und es habe Pläne gegeben, ein „Gülleschiff“ einzusetzen um in den Nährstoffgehalt des Bodensees eingreifen zu können. Die „Eutrophierung“ sei dann aber von selbst gekommen. Dies habe 1959 zur Gründung der Internationalen Gewässerschutzkommission Bodensee (IGKB) geführt. 
1808 habe es die erste Limnologische Beschreibung des Sees gegeben, 1893 gab es die Bregenzer Übereinkunft, in der die Belange der Fischerei geregelt wurden und 1919 sei auf Badischer Seite das Limnologische Institut in Konstanz gegründet worden.
Zur fachlichen Seite verwies Schröder auf die folgenden Vorträge seiner Mitarbeiter, die einen Querschnitt durch die Arbeit des Instituts repräsentieren würden.

Belastung sehr gering

Zunächst sprach Dr. Harald Hetzenauer über die stoffliche Belastung des Sees. Sein Vortrag stand unter dem Titel „Von den Nährstoffen zu den Mikroverunreinigungen“. Er erklärte, dass der Phosphorgehalt des Sees noch immer abnehmen würde, was aber eine komplette Zirkulation des Wassers während eines kalten Winters voraussetzen würde. Nach einem milden Winter sei eine Verringerung der Phosphor-Konzentration im See nicht zu erwarten.
Der Chlorid-Anteil im See korrelliere ebenfalls mit den Wintertemperaturen. Nach einem strengen Winter sei ein höherer Chlorid-Wert im See zu messen. Hetzenauer interpretiert das als Folge des Streusalz-Einsatzes auf den Straßen. 
Er verwies auf Medikamtenrückstände im Wasser, die die Seenforscher schon seit einiger Zeit thematieren. Insgesamt sei der Fremdstoffanteil im See aber sehr gering, bescheinigte er den Zuhörern.

Interpretationsspielraum

Physiker Bernd Wahl sprach über Klimaeinflüsse auf den Bodensee und davon, dass vermehrte niedrige Sommerwasserstände auf eine Klimaveränderung hindeuten könnten. Wie bei allen statistischen Auswertungen, gebe es allerdings auch hier einen großen Interpretationsspielraum. Daneben präsentierte er eine Kurve über die Klimageschichte der Erde, die auch auf Wikipedia zu betrachten ist, wonach die Temperaturveränderungen der Neuzeit erdgeschichtlich nicht ins Gewicht fallen. Auch nach Wahls Vortrag ergab sich keine Antwort auf die Frage, ob der Klimawandel eine existienzielle Bedrohung darstellt oder bloß ein gigantisches Geschäftsmodell ist.

Erosion ist Natur

Dr. Martin Wessels sprach zum Thema: „Die Ufer-und Flachwasserzone - nie ist sie richtig“. Mit historischen Aufnahmen belegte er, dass es „Erosionsufer“ schon immer gegeben hat. Das sei ein ganz natürlicher Prozeß. Wind, Wellen und Strömungen würden das Ufersubstrat so lange in tiefere Seeschichten transportieren bis es ganz unten angekommen sei. Dem See blühe das selbe Schicksal wie es allen Seen blühe. Er werde immer flacher und sei irgendwann ganz verschwunden, erklärte Wessels. 
Dass Uferrenaturierung notwendig sei, sei mittlerweile auch in der Gesetzgebung verankert. Die Gerichte würden in ihren Entscheidungen dieser Argumentationslinie folgen, wie er erklärte. 
Er kritisierte aber die Gemeinden und Bürgermeister, die eine Renaturierung nur unter dem Aspekt sehen würden, öffentliche Mittel für die Anlage eines Uferwegs zu kassieren. Der Uferweg müsse unabhängig von der Renaturierungsmaßnahme betrachtet werden und habe damit überhaupt nichts zu tun.
Mittlerweile hätte sich die konkrete Vorgehensweise bei Renaturierungen geändert, erklärte Wessels. Habe man früher einfach Kies vor das Steilufer geschüttet, würde heutzutage eher das Steilufer abgetragen.
Bisher habe das Land Baden-Württemberg 32 Millionen Euro für Renaturierungsmaßnahmen am See ausgegeben. Das sei eine sehr kleine Summe im Vergleich zu den vier Milliarden Euro, die in Reoligotrophierungmaßnahmen (Maßnahmen zum Abbau der Überdüngung) geflossen seien. 

Probenarchivierung

Dr. Hans Güde sprach allgemein über die Zustandsentwicklung kleinerer Seen in Baden-Württemberg und Dr. Piet Spaak, Institutsleiter Aquatische Ökologie bei der EAWAG Dübendorf sprach über „Umwelteinflüsse und Planktondynamik“ an verschiedenen Schweizer Seen. Im Wesentlichen sprach er über genetische Entwicklungen an Daphnien (Wasserfloh) und plädierte aufgrund seiner Erfahrungen in der Schweiz für eine sorgfältige Pflege von Probenarchiven. 

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